Der Tag versinkt in Wasser und Wolken. Trotzdem ist es warm. Radfahrer in schlichten Ponchos oder intensiv farbige Regenkombis sausen an mir vorbei. Ich kaufe mir den größten der transparenten Schirme und mache mich auf den Weg. Kyotos U-Bahn ist nach Farben und Nummern sortiert. Orientierung gelingt leicht. Von der U-Bahn Station aus ist es noch ein Kilometer zu Fuß, die Schuhe beginnen aufzuweichen. „Keine gute Idee heute diesen Ausflug zu machen.“ denke ich und versuche mich im wahrsten Sinne des Wortes innerlich und äußerlich vor dem Regen abzuschirmen. Ich überquere eine Brücke, schaue nach rechts und sehe mitten in der Stadt ein Reisfeld, dahinter ein Garten mit Gemüse. Einen Schritt weiter an einem Eingang eine Sammlung von Regenschirmen. Mein Blick öffnet sich für die Fülle des heutigen Tages. Wasser überall, Reflektionen, der Sound auf meinem Schirm, Blüten, die von Sträuchern gewaschen werden. Wasser auf Pflanzen. Die Farben intensiv. Ein Meer an Tropfen.
Ich erreiche den Myoman-ji Tempel und meine nassen Schuhe sind die Einzigen im Eingang. Der Mönch reicht mir Hausschuhe. Die Räume wirken alltäglich belebt. Der Boden besteht aus Tatamimatten, die Wände aus Holz und Papier. Der Regen draußen lässt mich gerne verweilen. In einem Raum werden die Besucher eingeladen sich auf Meditationskissen zu setzen. Einige Fotos zeigen den inneren Garten in allen Jahreszeiten. Der Blick von der Holzterrasse aus ist wohltuend schön. Nichts ist zufällig in diesem Garten und doch hat er den Zauber genau in diesem Moment zu sein: Eine Blüte ist auf die Steine gefallen. Das Wasser sickert in den perfekt geharkten Steingarten.
In einem langen Gang hängt ein Mönch weiße Papierballons auf. Nach einem freundlichen Gespräch mit mehr Gesten als Worten lädt er mich in den großen Schreinraum ein. Eine Fülle an Formen, Symbolen, Mustern, Stoffen, Gold und Schnitzereien. Ich sitze auf meinem Hocker und entdecke immer mehr. Der Mönch sortiert raschelnd die Papierballons.
Wieder draußen unter meinem großen Regenschirm genieße ich das Allein-Sein und dass ich mich anfreunden konnte mit diese Nässe. Vom nahen Bahnhof ‚Kino’ fährt eine kleiner Zug durch den grauen Regen. Der Fahrer steht an jeder Haltestelle auf, dreht sich um und kontrolliert und vollendet den Zahlvorgang der Passagiere mit einer angedeuteten Verbeugung. Ich habe das Zahlsystem noch nicht verstanden. An der Endhaltestelle stehen auf einem kleinen Tischchen laminierte Erklärungen in Englisch bereit. Man liest selbst die Streckenlänge und somit Yen auf einer Tafel ab. Bezahlt wird jeweils am Ende der Reise. Meine Angst, dass ich ohne Ticket unterwegs bin, war unbegründet. Zwei Umstiege sind’s noch: 5 Minuten im dunkelrot ausgekleideten Regionalzug, dann zwei Stationen mit der U-Bahn. Jede Strecke wird einzeln abgerechnet.
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Wunder?Wunderschön!
Du schilderst es so, wie eine Traumreise,.. Als wenn ich da gewesen wäre,.. Danke
Danke für den interessanten und anschaulichen Blog und die wunderbaren Fotografien, Helen