Mentale Suchbilder – Türen und Brombeeren

Du siehst was du suchst. Kennst du das? Im Workshop in Methana tauchten vom ersten Tag an Bilder von den schönen Türen des Ortes auf. Mich faszinierte die Handwerkskunst, die intensiven Farben und die einfachen und variierenden Formen. Je mehr Türen während der abendlichen Bildbetrachtung gezeigt wurden, umso mehr Türen sah ich. Beim Ausflug auf die nächste Insel merkte ich, dass das Fotografieren von ‚Türen‘ ein bisschen obsessiv wurde. Mit Begeisterung sah ich sich wiederholende Materialien, neue Farben und Reihungen. Dem kann man nachgehen und ganz tief ins Betrachten eintauchen, aber ich bemerkte, dass ich mich eingrenzte. Es war nicht mehr „frisch“ sondern ich magnetisierte Eindrücke, die in meine Vorerwartung passten. Die Aufnahme musste plötzlich exakt senkrecht sein, eine Tür ähnlich der nächsten aufgenommen werden. Ich fotografierte nicht mehr ehrlich was ich sah, sondern hatte eine Serie im Kopf und es gesellte sich konzeptionelle Fotografie dazu. Ich legte eine Türen-Pause ein, nicht ohne mit der Hand nochmal an dem historischen, so fühlbaren Ornamentglas entlang zu streifen. Die Serie findet sich nicht im Album unten. Diese Strenge hatte mich wegholte vom offenen Betrachten des Ortes, als ob ich das Eigentliche verpasse, während ich versuche etwas zu dokumentieren. Es gab mehr zu erleben: in der Taverne sitzen und Tavli (Backgammon) spielen, dem Fischer zuschauen und der aufmerksam wartenden Katze neben ihm, der Geschwindigkeit der kleinen Boote, Farben und Wellen.

Rob Walker[1] beschreibt in seinem Buch ‚The Art of Noticing‘ dieses Phänomen, diese besondere Aufmerksamkeit für etwas als das Bilden ‚Mentaler Suchbilder‘. Evolutionsgeschichtlich macht das Sinn, je mehr ich nach reifen Brombeeren Ausschau halte, umso einfacher finde ich sie, umso größer die Ausbeute an Marmelade 😉

Die Psychologin Alexandra Horowitz[2] schreibt „Jeder braucht einen Mechanismus, um aus all den Dingen auf der Welt auszuwählen, nach was er suchen und was er betrachten soll, und was ignorieren.“ Ein Suchbild ist „die visuelle Form der Erwartung, die es erlaubt, im Chaos einen Sinn zu finden.“

Was ist dein mentales Suchbild und wie bemerkst du ob es dir etwas eröffnet oder dich begrenzt?

Wenn du auf das erste Bild klickst, siehst du die Fotografien groß.

[1] Rob Walker, The Art of Noticing, New York 2019

[2] Alexandra Horowitz, On Looking: A Walker’s Guide to the Art of Observation,

 

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